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Die Pushkin Thesen

Das Pushkin Manifest wurde formuliert im Zusammenhang mit dem 2. Internationalen Symposium über Eurolinguistik in Pushkin, Russland, im September 1999.

A. Multilingualismus im Zentrum der Forschung und Multilingualismus als Faktor der Glottogenese in der Eurolinguistik

These 1: Ausgehend von der Überzeugung, dass der Mensch mit einer faculté du language geboren ist, die nicht monolingualer, sondern multilingualer Natur ist, stellt die Eurolinguistik das mehrsprachige Individuum ins Zentrum der Forschung.

These 2: Linguistische und kulturelle Divergenz oder Konvergenz, die durch den Einfluss von Mehrsprachigkeit entstanden ist, ist im Fokus der Eurolinguistik.

B. Kontakttypologien und Netzwerke von Sprachkontakten

These 3: Die Beschreibung der historischen und heutigen Kontakttypologien der europäischen Sprachen ist eine dringende Aufgabe der Eurolinguistik.

These 4: Die zugrundeliegenden historischen, politischen, sozialen und ökonomischen Faktoren solcher Kontakttypologien sind unentbehrlich für die Beschreibung der binneneuropäischen und außereuropäischen Einflüsse auf die Sprachen Europas.

C. Gemeinsame sprachliche Charakteristika (Europäismen) als Spiegel der Kontaktmuster

These 5: Deshalb sind die gemeinsamen linguistischen Charakteristika der europäischen Sprachen zu beschreiben, die durch Kontakte der europäischen Völker untereinander im Laufe der Jahrhunderte durch Mischung entstanden sind.

These 6: Das gemeinsame europäische Erbe, das diesen Charakteristika (Europäismen) zu Grunde liegt, soll der Allgemeinheit explizit zugänglich gemacht werden.

D. Europäismen, europäische Gemeinsamkeit und Identität

These 7: Eine solche Sehweise der gemeinsamen linguistischen und kulturellen Grundlagen der europäischen Sprachen wird ein Gefühl von europäischer Zusammengehörigkeit entstehen lassen.

These 8:Ein solches europäisches Zusammengehörigkeitsgefühl, von der Antike bis in die Moderne, wird bei der Schaffung einer europäischen Identität behilflich sein, die auch heute unter der jüngeren Generation noch fehlt.

E. Eurolinguistik, Nationalismus, nationale Weltbilder und Diskriminierung

These 9: Die Eurolinguistik wird zu einer Disziplin werden, die nationalistischen Tendenzen in der Sprachwissenschaft entgegenwirkt und die die europäische Ausbildungspolitik der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beim Abschaffen (Auflösen) vorurteilsvoller nationaler Weltbilder unterstützt.

These 10: Ein Gefühl einer europäischen Identität, das durch die Überzeugung von einem europäischen Erbe begründet ist, wird dabei behilflich sein, das Heranwachsen radikaler nationaler Bewegungen und ethnischer Diskriminierung verhindern zu können.

F. Eurolinguistik weniger verbreiteter Sprachen und Sprachengleichheit

These 11: Eurolinguistik wird zu einer Stütze für die Erforschung der europäischen Minderheitensprachen in der Vergangenheit sowie der Gegenwart, indem ein gleichgestellter Status der weniger verbreiteten Sprachen sowie ihre unverzichtbaren Rechte der Sprachenverwendung in allen Domänen unterstützt werden.

These 12: Mit ihrem europaweiten Programm wird die Eurolinguistik ein Verständnis der inneren Gründe der kulturellen, religiösen und politischen Konflikte zwischen den größeren Sprachen sowie auch zwischen den großen und den Minderheitensprachen in Europa fördern, wobei ein Beitrag zur Friedensforschung geleistet wird (vgl. Die Europäische Charta der regionalen und Minderheitensprachen von 1992).

G.Europäistik als ein Fach in der Ausbildung

These 13: Eurolinguistik ist ein integrierter Teil einer neuen interdisziplinären Ausrichtung der Europäistik mit dem Ziel, ein Europa-orientiertes Programm in der Ausbildung von jungen Europäern zu fördern, von der Grundschule bis hin zur Universität.

H. Migration und Europäisierung

These 14: Die Eurolinguistik wird auch ein notwendiges mehrsprachiges Programm für die Förderung der Ausbildung der Gastarbeiter und Flüchtlinge mit ihren Kindern beinhalten, die durch lange Perioden von Abwesenheit von ihren Heimatländern zu zweisprachigen Europäern herangewachsen sind.

I. Eurolinguistik und Globalisierung – Europäische Sprachen weltweit

These 15:Die Gründung einer internationalen Basis für die Eurolinguistik wird als ein exemplarisches Beispiel für ein globales Szenario wirken (durch den Einschluss von Englisch weltweit, Spanisch weltweit, Franzözisch weltweit (Frankophonie), Russisch weltweit etc.).

These 16:Die Kontakte der ehemaligen kolonialen Sprachen in Übersee haben neue Pidgin- und Kreolsprachen geschaffen und als Katalysator für die technische, ökonomische und kulturelle Entwicklung außerhalb Europas und auf anderen Kontinenten gewirkt.

These 17:Deshalb ist die Eurolinguistik nicht nur eine europäische Angelegenheit, sondern die einer Weltzivilisation in ihrer Funktion als linguistischer Innovator für außereuropäische Sprachen.

J. Eurolinguistische Initiativen für eine europaweite Ausrichtung

These 18:Die Mitglieder des Pushkin-Symposiums unterstützen die Kampagne des ELAMA in seinen Bemühungen um eine europaweite Ausrichtung in Forschung und Organisation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in anderen europäischen Ländern.

These19: Forschungsprojekte und eventuell ganze Forschungszentren über Multilingualismus und Eurolinguistik sollten in europäischen Ländern, in denen solche Projekte und Institutionen nicht existieren und in denen die Integration von Immigrantenminderheiten eine große Herausforderung ist, gegründet werden, damit ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstehen kann, das uns Europa als unsere Heimat erleben lässt, besonders bei der jüngeren Generation von Immigranten, Gastarbeitern und Asylbewerbern.

These 20: Die Mitglieder des Pushkin-Symposiums fordern die offiziellen und privaten Organisationen auf, eurolinguistische Aktivitäten in allen Ländern zu unterstützen und bitten Privatpersonen, Mitglieder in eurolinguistischen Vereinen zu werden.